McLaren ist in dieser Saison die klare Nummer eins in der Formel 1. Bereits letztes Jahr wurde die Konstrukteurswertung mit einer starken zweiten Saisonhälfte gewonnen, doch nun hat der Rennstall aus Grossbritannien einen weiteren Schritt in die richtige Richtung gemacht und die Konkurrenz distanziert. Nach fünf Rennen haben die Papayaorangenen bereits einen Vorsprung von 77 Punkten auf den zweitplatzierten Mercedes und auch in der Fahrerwertung führen die beiden McLaren-Fahrer Oscar Piastri und Lando Norris die Tabelle an – Max Verstappen folgt mit zwölf bzw. zwei Punkten Rückstand erst auf Platz 3. Doch dies könnte für das Team zu einem Problem werden.
Aktuell scheint Piastri im WM-Kampf die besseren Karten zu haben, da Norris in letzter Zeit auch oftmals mit sich selbst zu kämpfen hat. Der Brite selbst äusserte sich erst kürzlich über seine Selbstzweifel und dass er die Fehler oft nur bei sich selbst sucht. «Ich bin ein introvertierter Mensch – und zwar massiv. Dadurch war ich schon immer sehr selbstkritisch in allem, was ich tat», erzählte er kürzlich in einem Interview mit formula1.com.
Diese Eigenschaft zeigt sich auch in seinem Alltag als Rennfahrer, da er seine Fehler jedes Mal bei sich selbst sucht und nicht bei seinem Team oder dem Auto: «Ich war nie hart zu meinem Team, zu meinen Mechanikern, zum Auto, zum Set-up. Ich habe immer an mir selbst gearbeitet, mehr als dass ich anderen die Schuld gegeben hätte, sagen wir mal – und das hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin.»
Dem WM-Zweiten wird immer wieder vorgeworfen, dass er mit dem Druck, der in diesem Jahr auf ihm lastet, nicht umgehen könne und deshalb immer wieder Fehler passieren würden. Was Norris am meisten zu denken geben muss, sind die aktuellen Ergebnisse im Qualifying. In den letzten zwei Qualifyings landete Norris in Bahrain nach einem kleinen Fehler nur auf Platz 6 und in Saudi-Arabien setzte er seinen Boliden in die Leitplanke, weshalb er vom 10. Rang starten musste. Im Schnitt startet Norris in dieser Saison von Startplatz 4,7 in das Rennen, Teamkollege Piastri steht im Schnitt an zweiter Stelle. Damit halst sich der Brite jeweils schon vor dem Rennen einen beträchtlichen Nachteil gegenüber seinem Teamkollegen auf und kann froh sein, beträgt der Rückstand auf Piastri in der WM-Wertung nur zehn Punkte.
Dies liegt zum einen daran, dass er mit dem schnellsten Auto im Feld während des Rennens einige Plätze gut machen kann. So auch im letzten Rennen, als er von der zehnten Position aus das Podest mit Platz vier nur knapp verpasste. Zum anderen hatte Piastri nach dem ersten Rennen in Australien bereits einen Rückstand von 23 Punkten auf seinen Teamkollegen. Im heimischen Regenrennen landete Piastri mit grossen Podestchancen im Rasen und beendete den Grand Prix schlussendlich nur auf dem neunten Platz.
Doch seither ist Piastri auf Kurs und war nur noch einmal hinter seinem Teamkollegen klassiert (Grand Prix von Japan), die drei restlichen Rennen, welche dieses Jahr bereits gefahren wurden, entschied Piastri allesamt für sich. Aktuell fährt der 24-Jährige so souverän, dass schon beinahe vergessen geht, dass es erst seine dritte Saison in der Königsklasse des Motorsports ist. Bereits seine erste Saison war mit dem neunten Platz in der WM-Rangliste ordentlich und im letzten Jahr feierte der junge Australier nicht nur die ersten Rennsiege, sondern war am Schluss des Jahres der viertbeste Fahrer.
Beide Fahrer hegen in dieser Saison berechtigte Ambitionen im Kampf um den Weltmeistertitel, beide fuhren bisher viermal aufs Podest, Piastri gewann drei und Norris ein Rennen. Obwohl sich die beiden Teamkollegen aktuell noch sehr gut verstehen und ein freundschaftliches Verhältnis zueinander pflegen, ist sich auch McLaren bewusst, dass es jederzeit zu einem Konflikt kommen kann. McLaren-Boss Zac Brown sieht eine Kollision bei seinen beiden Schützlingen in dieser Saison bevor. «Es ist nur die Frage, wann es passiert und nicht, ob es passiert. Wenn zwei Autos 24-mal im Jahr miteinander kämpfen, dann passiert so etwas», ist sich Brown sicher.
Doch für Brown ist klar: «Ich weiss, dass jeder auf diesen Moment wartet, aber für uns intern wird es kein grosses Ereignis sein. Wir haben ein gutes Verhältnis untereinander. Auch wenn es zwischendurch zu kleinen Kollisionen kommt, werden sich unsere Fahrer am Ende die Hände schütteln können.» Es wurden auch bereits Gespräche mit den beiden Fahrern geführt, um über eine möglicherweise kommenden Crash zusprechen.
Der McLaren-Boss könnte sich die Ausgangslage auch erleichtern und eine klare Nummer eins auswählen, doch darauf verzichtet der 53-Jährige und sein Team und schaut freudig in die Zukunft: «Sie sind gleichauf, sie liefern sich harte Rennen. Ich glaube, wir haben noch keinen wirklich epischen Kampf zwischen ihnen gesehen, aber dieser Tag wird kommen und ich freue mich darauf.» Auch geht Brown von einem Rennunfall aus und nicht von einer bewussten Kollision.
Weiter geht der Kampf in der Formel 1 bereits dieses Wochenende in Miami. Ein besonderer Ort für Lando Norris, im Rundkurs um das Hard Rock Stadium feierte der 25-Jährige im letzten Jahr seinen ersten Sieg in der Formel 1. Vor dem vielleicht bereits wegweisenden Rennen zeigt er sich optimistisch: «Die Dinge sind zuletzt nicht so glattgelaufen, wie ich es mir gewünscht hätte, aber ich freue mich darauf, wieder ins Auto zu steigen, besonders in Miami.»
Auch im Süden der USA gehören die beiden McLaren-Piloten zu den Favoriten. Die grössten Herausforderer werden die üblichen Verdächtigen Red Bull, Ferrari und Mercedes sein. Und wer weiss, vielleicht kommt es bereits an diesem Wochenende zum angekündigten Crash.